Sonntag, 30. September 2012

Kirchenrechtler Hartmut Zapp bekommt vor Gericht recht

Das Bistum Freiburg ist mit seiner Klage gegen den Kirchenrechtler Hartmut Zapp vor dem Bundesverwaltungsgericht unterlegen. Die Richter stellten fest, dass Zapp mit der Erklärung des Austritts aus der „römisch-katholischen Kirche, Körperschaft des öffentlichen Rechts“ ohne Wenn und Aber nach staatlichen Maßgaben gültig aus der katholischen Kirche ausgetreten ist.

Der emeritierte Freiburger Professor für Kirchenrecht hatte bei seinem rechtlich-administrativen Kirchenaustritt vor dem Standesamt  seiner schriftlichen  Erklärung den Zusatz "Körperschaft des öffentlichen Rechts" als Konkretisierung eingefügt und gleichzeitig vor kirchlichen Instanzen erklärt, dass er weiterhin aktives Mitglied der römisch-katholischen Kirche bleiben wolle und nicht beabsichtige, sich seinen "Pflichten als Mitglied der römisch-katholischen Kirche gemäß den innerkirchlichen Normen zu entledigen" (Presseerklärung der Anwälte Zapps). Auch zur Zahlung eines Beitrags für kirchliche Zwecke "in etwa der Höhe der durchschnittlichen Kirchenbeiträge in vergleichbaren westeuropäischen Ländern" (H. Zapp), erklärte sich der Katholik bereit. Diese betragen etwa ein Zehntel der deutschen Kirchensteuer. Zapp will dabei den Unterschied zwischen einem "Körperschaftsaustritt" und einem "Kirchenaustritt" deutlich machen.

Die Erzdiözese Freiburg dagegen behauptet die Kongruenz von Körperschafts- und Kirchenaustritt. Sie wollte die Bestätigung des Gerichtes über Nichtigkeit von Zapps einschränkender Erklärung: Der Austritt sei wegen des nicht statthaften Zusatzes "Körperschaft des öffentlichen Rechts" nicht gültig und Zapp somit weiterhin kirchensteuerpflichtig. Dem widersprach nun das Gericht: Es sah den Zusatz als nicht relevant und die Erklärung als gültig an. Die Richter bestätigten, dass Zapp nach deutschem Staatsrecht somit nicht mehr der Kirchengemeinschaft angehöre.

Nach Ansicht der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) erfüllt H. Zapp damit (trotz dessen ausdrücklichem gegenteiligen Bekundens) den Tatbestand des formalen Abfalls vom Glauben, eine "schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft". Er ist somit auch aus der Sakramentengemeinschaft der Kirche ausgeschlossen und geht sämtlicher kirchlicher Rechte verlustig. (vgl. Statement von Erzbischof R. Zollitsch)

Dieses deutsche Sonderrecht aber widerspricht den für die gesamte Weltkirche geltenden kirchenrechtlichen Bestimmungen, nach denen für einen formalen Abfall bestimmte Vorraussetzungen erfüllt sein müssen.
1. Der Abfall von der katholischen Kirche muss, damit er sich gültig als wirklicher actus formalis defectionis ab Ecclesia darstellen kann (...) konkretisiert werden in:

a) einer inneren Entscheidung, die katholische Kirche zu verlassen;
b) der Ausführung und äußeren Bekundung dieser Entscheidung;
c) der Annahme dieser Entscheidung von seiten der kirchlichen Autorität.

2. Der Inhalt des Willensaktes muss bestehen im Zerbrechen jener Bande der Gemeinschaft – Glaube, Sakramente, pastorale Leitung –, die es den Gläubigen ermöglichen, in der Kirche das Leben der Gnade zu empfangen. Das bedeutet, dass ein derartiger formaler Akt des Abfalls nicht nur rechtlich-administrativen Charakter hat (das Verlassen der Kirche im meldeamtlichen Sinn mit den entsprechenden zivilrechtlichen Konsequenzen), sondern dass er sich als wirkliche Trennung von den konstitutiven Elementen des Lebens der Kirche darstellt: Er setzt also einen Akt der Apostasie, Häresie oder des Schisma voraus.

3. Der rechtlich-administrative Akt des Abfalls von der Kirche kann aus sich nicht einen formalen Akt des Glaubensabfalls in dem vom CIC verstandenen Sinn konstituieren, weil der Wille zum Verbleiben in der Glaubensgemeinschaft bestehen bleiben könnte.

Andererseits konstituieren formelle oder (noch weniger) materielle Häresie, Schisma und Apostasie nicht schon von selbst einen formalen Akt des Abfalls, wenn sie sich nicht im äußeren Bereich konkretisieren und wenn sie nicht der kirchlichen Autorität gegenüber in der gebotenen Weise bekundet werden.
Das Dokument stellt zweifelsfrei fest, dass, um einen gültigen Kirchenaustritt im Sinne des (weltkirchlichen) Kirchenrechts zu produzieren, die Willensbekundung des Austrittswilligen "schriftlich vor der zuständigen kirchlich katholischen Autorität bekundet wird", und der "Ordinarius oder der eigene Pfarrer, dem allein das Urteil darüber zusteht, ob wirklich ein Willensakt des in Nr. 2 beschriebenen Inhalts vorliegt oder nicht", über den Tatbestand entscheidet.

Im Falle des Kirchenrechtlers Zapp dürfte der zuständige Pfarrer kaum zu dem Urteil kommen, dass Herr Zapp willens ist, sich von der römisch-katholischen Glaubensgemeinschaft zu trennen. Weder Punkt a) noch b) noch c) der vatikanischen Mitteilung sind damit erfüllt und folglich handelt es sich auch nicht um einen formalen Abfall vom Glauben und deshalb auch nicht um einen Kirchenaustritt oder eine Trennung von der Glaubens- und Sakramentengemeinschaft der römisch-katholischen Kirche.

"Mit dem Körperschaftsaustritt wollte ich auf die Klärung der Frage nach dem "Formalakt des Abfallens von der katholischen Kirche" durch die authentische Inter­pretation des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte vom 13. März 2006 hinweisen. Dieser Schritt (Anm.: des Körperschaftsaustritts) bedeutet keinen "Kirchenaustritt", da es sich weder um die "innere Entscheidung, die katholische Kirche zu verlassen", noch um deren "äußere Bekundung", noch um die "Annahme dieser Ent­schei­­dung von seiten der kirch­lichen Autorität" handelt; ich lege großen Wert auf diese Differenzierung und würde die Einladung zu einem Gespräch mit meinem Bischof oder Ver­tretern der Bistumsleitung über die in meinem Artikel behandelte Thematik begrüßen. Sehr schön wäre es, käme es in weiterem Rahmen zur Diskussion zwischen Bischöfen und Kanonisten."

Es wird also in Zukunft darauf ankommen, was derjenige, der aus der Kirchensteuergemeinschaft austreten will, dem zuständigen Ordinarius erklären wird, der dann entscheiden muss, ob eine Apostasie, eine Häresie oder ein Schisma vorliegt und so dem Kirchenaustritt Gültigkeit verleiht.

Personen, die nicht der "Einladung" ihres Pfarrers nachkommen um ihm persönlich die Gründe für den Austritt mitzuteilen, bleiben de facto Mitglied der Glaubensgemeinschaft; Personen, die erklären, sich von der Kirche distanzieren zu wollen oder den Glauben der Kirche nicht mehr teilen zu können sind sodann als "von der katholischen Kirche in einem formalen Akt Abgefallene", sprich aus der Kirche ausgetreten, was dann im Taufbuch vermerkt wird, und sind lediglich noch durch das "untilgbare Prägemal" der Taufe ("character indelebilis" nach can. 849 CIC)  mit dem mystischen Leib Christi verbunden.

Das Allgemeine Dekret der Deutschen Bischofskonferenz vom 24.09.2012 ist in mehreren Punkten mangelhaft und dürfte, da es dem weltweit gültigen Kirchenrecht widerspricht, bei gleichzeitigem Festhalten am Glauben der Kirche, keinerlei Konsequenzen haben für den Status des Gläubigen als Mitglied in der Glaubensgemeinschaft der römisch-katholischen Kirche. Noch einmal wird Rom klarstellen müssen, ob ein Körperschaftsaustritt trotz Bekennens und Bewahrens des Glaubens und der Bereitschaft, die Kirche weiterhin ideell und finanziell zu unterstützen, einem schismatischen Akt gleichkommt, der einen Ausschluss aus der Glaubensgemeinschaft rechtfertigt.


Aus der Presseerklärung der Anwälte von Hartmut Zapp:

"Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 26.09.2012 (– 6 C 7.12 –) die Klage des Erzbistums Freiburg gegen den von Hartmut Zapp im Juli 2007 vor dem Standesamt der Stadt Staufen erklärten Kirchenaustritt endgültig abgewiesen. Das Erzbistum Freiburg ist danach mit seiner Rechtsauffassung, wonach Hartmut Zapp mit dem erklärten Austritt aus der „römisch-katholischen Kirche, Körperschaft des öffentlichen Rechts“ nicht aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten sei, vollumfänglich unterlegen.

Vielmehr wurde vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt, dass Hartmut Zapp mit seiner Erklärung wirksam, „ohne Wenn und Aber“ aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten ist. Nichts anderes hatte Hartmut Zapp mit seiner Austrittserklärung beabsichtigt. Es ging ihm – entgegen der allgemeinen Medienberichterstattung – zu keinem Zeitpunkt darum, sich seinen Pflichten als Mitglied der römisch-katholischen Kirche gemäß den innerkirchlichen Normen zu entledigen."

Quelle: kath.net

Weiteres zum Thema:
Linkliste zu "Kirchenaustritt", "deutsches Kirchensteuersystem"





Buchtipp:
Löffler, René: Ungestraft aus der Kirche austreten?
Der staatliche Kirchenaustritt in kanonistischer Sicht


"Zu Recht weist Löffler darauf hin, dass der gegenüber einer staatlichen Behörde erklärte Kirchenaustritt lediglich die „Aufgabe der Mitgliedschaft in einer körperschaftlich verfassten Religionsgemeinschaft mit bürgerlicher Wirkung“ zum Ausdruck bringt und folglich „nach kanonischem Recht kein uneingeschränkter und unbedingter Trennungswille präsumiert werden [darf], da der objektive Inhalt der staatlichen Austrittserklärung darüber keine Aussage macht“ (...) – mit anderen Worten: dass einem aus der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts austretenden Katholiken kirchlicherseits nicht (länger) automatisch unterstellt werden darf, er wolle auch die Kirche als Glaubensgemeinschaft verlassen." 

(Dr. Wolfgang F. Rothe in: "Theologisches", Jan./Febr. 2008, Sp. 21-24)




Omnium in mentem

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